Ingeborg Bachmann - Nebelland

Ingeborg Bachmann - Nebelland

Im Winter ist meine Geliebte br unter den Tieren des Waldes. br Daß ich vor Morgen zurückmuß, br weiß die Füchsin und lacht. br Wie die Wolken erzittern! Und mir br auf den Schneekragen fällt br eine Lage von brüchigem Eis. br br Im Winter ist meine Geliebte br ein Baum unter Bäumen und lädt br die glückverlassenen Krähen br ein in ihr schönes Geäst. Sie weiß, br daß der Wind, wenn es dämmert, br ihr starres, mit Reif besetztes br Abendkleid hebt und mich heimjagt. br br Im Winter ist meine Geliebte br unter den Fischen und stumm. br Hörig den Wassern, die der Strich br ihrer Flossen von innen bewegt, br steh ich am Ufer und seh, br bis mich Schollen vertreiben, br wie sie taucht und sich wendet. br br Und wieder vom Jagdruf des Vogels br getroffen, der seine Schwingen br über mir steift, stürz ich br auf offenem Feld: sie entfiedert br die Hühner und wirft mir ein weißes br Schlüsselbein zu. Ich nehm’s um den Hals br und geh fort durch den bitteren Flaum. br br Treulos ist meine Geliebte, br ich weiß, sie schwebt manchmal br auf hohen Schuh’n nach der Stadt, br sie küßt in den Bars mit der Strohhalm br die Gläser tief auf den Mund, br und es kommen ihr Worte für alle. br Doch diese Sprache verstehe ich nicht. br br Nebelland hab ich gesehen, br Nebelherz hab ich gegessen.


User: PoemHunter.com

Views: 2

Uploaded: 2014-11-10

Duration: 02:03